BGH-Urteil zur Darlegungs- und Beweislast der unbilligen Härte bei einer ordentlichen Kündigung

Die Stellungnahme eines Psychoanalytikers reicht zum Nachweis eines Härtefalls im Rahmen des Widerspruchs gegen eine ordentliche Kündigung aus.

BGH v. 16.04.2025 – VIII ZR 270/22

Der BGH hat eine weitere Frage im Mietrecht geklärt: Reicht im Rahmen eines Widerspruchs gegen eine ordentliche Kündigung eine Stellungnahme, welche kein fachärztliches Attest ist, zur Darlegung der psychischen Gesundheit des Mieters aus?

Zum Sachverhalt: Der Beklagte zu 1. ist seit Dezember 2006 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Die Beklagte zu 2. ist seine Untermieterin. Am 30. April 2020 erklärte die Klägerin die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum 31. Januar 2021. Der Beklagte zu 1. wehrte sich gegen diese Kündigung mit einer „Stellungnahme über Psychotherapie“, erstellt durch seinen sich als Psychoanalytiker bezeichnenden Behandler. In dieser Stellungnahme berichtete der Behandler von dem psychisch instabilen Zustand des Beklagten, der ihn auch zeitweise arbeitsunfähig mache und kam zu dem Ergebnis, ein Umzug sei deshalb nicht möglich. Er führte aus und berichtete davon, dass ein Umzug sogar in einem Suizidversuch enden könne beziehungsweise einen ernstzunehmenden Grund für eine Suizidgefahr beim Beklagten darstelle. Die Frage war nun, ob solch eine Stellungnahme, die kein (ausführliches) fachärztliches Attest ist, zur Geltendmachung der gesundheitlichen Härte ein fachärztliches Attest ersetzen kann. Das Amtsgericht hat der auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichteten Klage stattgegeben. Es hat, was in den Rechtsmittelinstanzen nicht im Streit steht, Eigenbedarf der Klägerin an der Wohnung festgestellt. Einen Anspruch des Beklagten zu .1 auf Fortsetzung des Mietverhältnisses hat das Amtsgericht verneint. Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten in einem Hinweisbeschluss im Wesentlichen ausgeführt, eine dem Beklagten zu 1. im Falle des Wohnungswechsels drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahr sei nicht hinreichend konkret dargelegt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Zur Entscheidung: Der BGH entschied nun, dass der Würdigung dieser Stellungnahme nicht im Wege stehe, dass diese kein fachärztliches Attest darstelle. Ein fordernder hinreichend substantiierter Sachvortrag des Mieters zur Begründung eines gesundheitlichen Härtegrundes, der ihn zum Widerspruch gegen die Kündigung berechtigt, sei nicht ausschließlich durch Vorlage eines fachärztlichen Attests möglich, so der BGH. Im Einzelfall könne auch eine Stellungnahme eines, bezogen auf das geltend gemachte Beschwerdebild, medizinisch qualifizierten Behandlers geeignet sein, den Sachvortrag des Mieters zu untermauern. Dies stehe jedoch immer unter dem Vorbehalt der Umstände des Einzelfalls. Demnach konnte das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben und wurde aufgehoben. Die nicht zur Endentscheidung reife Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden damit dieses die aufgrund der gebotenen Gesamtwürdigung des Sachvortrags der Beklagten erforderlichen Feststellungen treffen könne.

Instanzen:

AG Neukölln, Entscheidung vom 26.01.2022 – 9 C 45/21

LG Berlin, Entscheidung vom 12.10.2022 – 65 S 47/22

BGH Karlsruhe, Entscheidung vom 16.04.2025 – VIII ZR 270/22

Dr. Jens Wengeler, Ihr Rechtsanwalt bei Fragen rund um das Thema Mietrecht hilft Ihnen gerne weiter.

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