BGH-Urteil zu wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeiten und deren Handhabung vor Gericht

Nimmt ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch, handelt es sich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit, wenn die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung getätigt wurde.

BGH-Urteil v. 22.09.2023 – V ZR 254/22

Der BGH hat eine strittige Frage im Wohnungseigentumsrecht geklärt: Wie werden ehrverletzende Äußerungen u. Ä. zwischen Wohnungseigentümern außerhalb von Eigentümerversammlungen im gerichtlichen Verfahren gehandhabt?

Zum Sachverhalt:

Kläger und Beklagter bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, wobei jedem Mitglied eine Doppelhaushälfte auf der Anlage gehört. Zwischen den Parteien kam es zu diversen, auch gerichtlichen Auseinandersetzungen über wohnungseigentumsrechtliche Angelegenheiten. Am 15. August 2018 kam es zu einem Zusammentreffen der Parteien auf dem Grundstücksvorplatz. Während eines Wortwechsels sagte der Beklagte zu dem Kläger ,,Sie sind sowieso eine Lachfigur, Sie Idiot.“ Der Kläger mahnte den Beklagten daraufhin ab. Der Beklagte gab eine Unterlassungserklärung ab, in der es hieß, der Kläger hätte ihn im Vorfeld geduzt, bepöbelt und ihm ein weiteres Gerichtsverfahren angedroht. Mit der folgenden Klage des Klägers, forderte dieser einen Ausgleich der Abmahnkosten in Höhe von 422,25 EUR, sowie die Unterlassung der Behauptungen in der Unterlassungserklärung.

Die Klage wurde teilweise abgewiesen und der Kläger lediglich zu einer Zahlung von 147,56 EUR verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zunächst wegen Nichterreichens der erforderlichen Berufungssumme als unzulässig verworfen. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidung durch Beschluss vom 16. November 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Nach Wiederaufnahme sprach das Landgericht dem Kläger weitere 8,61€ zu und wies die Berufung ab. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit der er seine Klageanträge, soweit ihnen nicht stattgegeben wurde, weiterverfolge. Der Beklagte dagegen beantragte die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Zur Entscheidung:

Die IX. Zivilkammer des BGH, stellte nun klar, dass für den Fall, dass ein Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Äußerung in Anspruch nimmt, es sich nur dann um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit handelt, wenn die Äußerung in einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung getätigt wurde. Dies gilt unabhängig von Inhalt und Anlass der Äußerung. Entgegen der Auffassung der Revision ist es deshalb unerheblich, dass sich die verbale Auseinandersetzung der Parteien an der – wohnungseigentumsrechtlich zu beantwortenden – Frage der Erfüllung von Reinigungspflichten entzündet hat. Auszugehen ist zunächst davon, dass eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit nicht bereits deshalb zu bejahen ist, weil es sich bei den Parteien um Wohnungseigentümer beziehungsweise ihnen gleichgestellte Personen handelt. Aufgrund dessen ging die Klage auch nicht an die wohnungseigentumsrechtliche Abteilung des Amtsgerichts, sondern an die Abteilung für Zivilprozesssachen, was bei Streitigkeiten zwischen Bürgern üblich ist. Besteht zwischen den Wohnungseigentümern eine Sonderverbindung, aufgrund derer sie sich gleichsam wie Dritte gegenüberstehen, stellt ein hieraus resultierender Streit begründet keine Wohnungseigentumssache dar. Dass der Kläger im Hinblick auf die Abmahnkosten dem Grunde nach einem Schadenersatzanspruch hat, legt das Berufungsgericht seiner Entscheidung, wenn auch unausgesprochen, zu Recht zugrunde. Da die Äußerungen des Beklagten bei dem Zusammentreffen der Parteien am 15. August 2018 eine Beleidigung darstellen und auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen, ergibt sich der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt der Abmahnkosten. Allerdings berechnet das Berufungsgericht zu Recht die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 1.000 € und nicht von 4.000 €, wie dies der Kläger für angemessen hielt.

Das Berufungsgericht hat im Anschluss an das Amtsgericht sämtliche Umstände, die hier für die Beurteilung maßgeblich waren, berücksichtigt. Es hat jedenfalls ermessensfehlerfrei erläutert, warum es angezeigt ist, einen niedrigeren Gegenstands- wert als 5.000 € anzusetzen. Der Kläger legt mit seiner Auffassung, 4.000 € seien angemessen, lediglich seine eigene Einschätzung dar. Dies vermag einen Rechtsfehler nicht zu begründen. Des Weiteren sieht das Berufungsgericht den Klageantrag zu 2 zu Recht als unzulässig an. Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, die darauf gerichtet ist, dem Beklagten zu untersagen, die in dem Anwaltsschreiben vom 24. September 2018 enthaltenen Behauptungen aufzustellen oder verbreiten zu lassen. Hierfür kann offenbleiben, ob die Äußerungen ehrverletzenden Charakter haben.

Diese Grundsätze wandte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei an, wie der Bundesgerichtshof ausführte. Des Weiteren wird in dieser Sache ein Ausnahmefall verneint, da dieser nur eintreten würde, wenn ehrverletzende Äußerungen in einem Rundschreiben oder in einer außergerichtlichen Kampagne oder Dritten gegenüber getätigt werden würden.

Instanzen:

AG Hamburg-Wandsbek, Entscheidung vom 01.10.2019 – 715 C 75/19

LG Hamburg, Entscheidung vom 25.03.2022 – 309 S 75/19

BGH Karlsruhe, Entscheidung vom 22.09.2023 – V ZR 254/22

 

Dr. Jens Wengeler, ihr Rechtsanwalt bei Fragen rund um das Wohnungseigentumsrecht in Castrop-Rauxel hilft Ihnen gerne weiter.

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